Hand-out sobre la presentación de Gary Hofmeier
April 2011 Neiva, Columbia Universität Bogotà Prólogo de Prof. Luis Armando Benitez Perez. Sie hatte sich zu dieser Zeit bereits den Bau eines kleinen Hauses vom Munde abgespart, weil ihr Mann nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft ein Zuhause haben sollte. Die amtliche Mitteilung hat sie vor uns verborgen. Sie wurde herzkrank. Den Kleiderschrank mit den Sachen unseres Vaters löste sie auf und vernichtete offensichtlich auch die Briefe ihres geliebten Mannes. Das war in unserer Gegend üblich. Kein Dritter sollte von den Vertraulichkeiten eines Paares erfahren. Auf der Trauerfeier meiner Mutter im Jahr 2001 haben wir erfahren, dass mein Vater ca. 40 Feldpostbriefe mit Schilderungen von der Front als Vermächtnis hinterlassen hat. Gerichtet waren diese an meine Tante Jette. Alle Briefe endeten mit der Bitte: Feldpostbriefe 1942 – 1943 Für meine Frau war es ein unbeschreibliches Gefühl, nach so vielen Jahren als einer der ersten Menschen diese Briefe in den Händen zu halten. Sie saß viele Nächte über den Briefen, die aus Papiermangel eng beschrieben waren und teilweise direkt im Schützengraben entstanden sind und durch den emotionalen Stress direkt an der Front oft schwer leserlich waren. Die Arbeit war spannend und lohnte sich. Sie lernte 2 neue Menschen kennen: Meinen Vater und mich. Ich begann zu begreifen, warum ich bin, wie ich bin. Die Briefe zeugten von einem Denken, das auch mir vertraut ist. Die Parallelitäten unserer Denkweisen ließen mich fast erschauern. Im 2. schreibt er von dem „vielen, vielen Menschenblut, das dort vergossen wurde und dass überall, wo er an der Front geht und steht, die jungen Soldaten sich an ihn hängen, als wenn er ihr Leben retten könne.“Zu diesem Zeitpunkt war er 32 Jahre alt, die neuen Soldaten erst 16 und 17. Die Lebenserwartung an der Front betrug 3 Monate, mein Vater hatte bereits 2 Jahre überlebt, davon 2x als letzter der gesamten Kompanie. Er hatte den Nimbus des Unverwundbaren. Im letzten Brief schreibt er: „... wir liegen immer noch auf verlorenem Posten und bekommen Feuer von 3 Seiten. Es ist kalt und schneit, aber wir haben Filzstiefel bekommen“ Nachdem die Arbeit getan, die Briefe anhand der Daten und der Kriegsberichte chronologisiert waren, fühlte ich intuitiv, dass das noch nicht alles gewesen sein konnte. Ich verteilte Exemplare der Briefsammlung an Freunde, unter anderem auch an Prof. Rupert Scholz, einem ehemaligen Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland. Er riet mir, diese wichtigen Dokumente der Zeitgeschichte mit Hilfe eines mit ihm befreundeten, in Deutschland sehr bekannten Geschichtsjournalisten Volker Koop zu veröffentlichen. Die nun folgende Recherchearbeit mit Volker Koop gehört für mich zu den prägenden Stationen meines Lebens. Über den 2. Weltkrieg gibt es unendlich viel Literatur. Unser Buch sollte etwas Besonderes werden, und zwar eine Parallelschilderung des Soldaten aus privater Feldpost, den schön gefärbten Nachrichten der Hitler- Regierung und den Nachrichten der internationalen Presse aus dieser Zeit. Diese Form der Veröffentlichung gab es vorher noch nicht. Ich führte unter anderem Interviews mit alten Verwandten, die meinen Vater gut gekannt und sehr geschätzt haben. Meine Absicht, ein Buch über ihn zu veröffentlichen, versetzte alle in Anteilnahme und Gesprächsbereitschaft. Man muss dazu wissen, dass die Menschen aus der Provinz Westfalen, aus der ich stamme, als stur, verschlossen und sehr zurückhaltend gelten. Gefühlsregungen zeigt man nicht. Es gibt dort viele Menschen mit dem sechsten Sinn, die hellseherisch künftige Ereignisse vorhersagen können. Ich erfuhr, dass mein Vater diese Fähigkeit auch hatte. Er fuhr am 16.09.43 zurück nach Russland und wusste, dass es eine Reise ohne Rückkehr sein würde. Beim Abschied bat er seine Schwester Jette: „Bitte kümmere Dich um meine Frau und um meine beiden Jungs. Ich werde sie nie wiedersehen“. Nach 3 Jahren Arbeit war das Manuskript druckreif. Anfang 2004 wurde das Buch über das Schicksal des tapferen Soldaten Heinrich Hoffmeier auf der Leipziger Buchmesse veröffentlicht unter dem Titel: „Ich habe keine Hoffnung mehr“ Für meinen Bruder und mich organisierte ich eine Reise nach Smolensk. Am Bahnhof erwartete uns die Dolmetscherin und Journalistin Galina nebst Fahrer. Ich zeigte ihr das Buch und erklärte den Zweck unserer Reise. Als Galina dann sagte, dass sie aus Welikije Luki stamme, der Schicksalsstadt meines Vaters, war ich wie elektrisiert. Niemals hätte ich einen Kontakt nach W. Luki herstellen können. Zufall oder Fügung? Der Kreis begann sich zu schließen, und ich wusste, dass mit dem Besuch in Smolensk die Spurensuche noch längst nicht beendet sein würde. Bei Smolensk besuchten wir in den Wäldern liegende Schlachtfelder mit Schützengräben und verbrannten Bäumen, die anklagend in den Himmel ragten. Hunderttausende Russen und Deutsche mussten hier sinnlos ihr Leben lassen. Mit Galina hielt ich intensiven Kontakt. Mit ihrer Hilfe organisierten wir im Juni 2006 eine Reise nach Welikije Luki. Prof. Rupert Scholz, meine Frau und ich reisten in St. Petersburg ein. Von dort ging es gemeinsam mit Galina in das ca. 500 km entfernte Welikije Luki mit dem Auto. Der Ort liegt in Zentralrussland, war während des Krieges stark umkämpft und wurde völlig zerstört. Als erste deutsche Zivilisten nach dem 2. Weltkrieg erwarteten wir, mit Reserviertheit und Distanz empfangen zu werden.Wir wussten nicht, dass Galina einen offiziellen Empfang in der Schule für Sprachen organisiert hatte. In der Schule befanden sich an der Tafel Bilder des Buches mit Fotos meines Vaters, dem deutschen Soldaten Heinrich Hoffmeier. Auf den Tischen befanden sich Blumenbuketts in deutschen und russischen Nationalfarben. Die Teilnehmer waren Kriegsveteranen, Lehrerinnen, Journalisten und Bewohner der Stadt. Links von mir saß ein hochdekorierter russischer Offizier in meinem Alter mit seiner Frau. Oleg und Wera.Ich wurde gebeten, über die Entstehungsgeschichte des Buches und über die Suche nach meinem Vater zu berichten. Auch über das große Leid meiner Mutter, die noch nach Jahrzehnten auf die Rückkehr ihres Mannes hoffte, habe ich berichtet. Galina hat übersetzt. Danach berichtete Oleg über seine 30-jährige Suche nach seinem Vater. Er hat das Grab in Estland gefunden. Von der Begegnung der Söhne, deren Väter aufeinander schießen mussten, berichteten die russischen Zeitungen mit großer Anteilnahme. Oleg wurde zitiert mit den Worten: „Lieber ein schlechter Frieden als ein guter Krieg“ Oleg und ich wurden Freunde. Im Juni 2007 reisten meine Frau und ich nochmals nach Welikije Luki. Galina und ihr Mann Juri hatten zum Empfang ein Grillfest in einem Wäldchen organisiert. Der Wald lag an einem See. Am Seeufer konnte man verfallene Schützengräben und Unterstände aus der Kriegszeit erkennen. Es war einer jener Tage, an denen die Sonne erst gegen Mitternacht untergeht. Zusammen mit Juri war ich schwimmen und fischen. Der Ort war wie verzaubert, fast mystisch schön und hatte einst doch unvorstellbares Grauen gesehen. Mit einem Toast auf unsere Freundschaft haben wir den Abend beendet. Am nächsten Tag besuchten wir Lobok, ein ehemaliges Dörfchen an einem See. Hier wurde die Einheit meines Vaters im Dezember 1943 komplett vernichtet. Es gibt kein einziges Haus mehr. Ein Massengrab mit dem Mahnmal für ca. 2000 russische Gefallene erinnert an die Geschehnisse. In diesem Grab wurden auch alle deutschen Gefallenen, also auch die sterblichen Überreste meines Vaters beerdigt, jedoch namenlos. Da liegen sie nun, die ehemaligen Feinde im Tode vereint. An dem Grabmal habe ich gebetet und mir dabei vorgestellt, dass mein Papa auf einer Wolke sitzt und sich darüber freut, dass sein Sohn ihn gesucht und gefunden hat und ihm liebevollen Respekt erzeugt.Oleg und Wera, Galina und Juri sind für uns enge Freunde und werden es immer bleiben. Und nun stehe ich vor Ihnen, am entgegen gesetzten Ende der Welt, und erzähle hier die Geschichte meiner Suche nach meinen Wurzeln. Und wieder stelle ich mir vor, dass mein Vater voller Stolz vom Himmel auf mich herabblickt und sein Glück gar nicht fassen kann, dass sein Schicksal nun auch in Kolumbien bekannt ist. |