Bis der letzte Soldat begraben ist

„Als die Dolmetscherin mich anrief und mich bat zum Treffen zu kommen, dachte ich: Wieso brauchen die Deutschen mich? Am nächsten Tag trafen wir uns und sie erzählte über den Sohn eines deutschen gefallenen Soldaten, der erst im Jahr 2000 über Feldpostbriefe seines Vaters von ihm erfahren hat und jetzt auf der Spurensuche in Russland ist. Mit Hilfe der Russland Briefe aus 1942-1943 und mit Unterstützung des ehemaligen Bundesminister für Verteidigung, Prof. Rupert Scholz, haben die Brüder das Buch „Ich habe keine Hoffnung mehr..." veröffentlicht.

Zuerst wollte ich nein sagen, weil mein Vater und mein Schwiegervater im Krieg gegen Faschisten gefallen sind. Aber dann wurde mir klar, dass der Krieg früher oder später sowieso stattgefunden hätte.
Die deutsche Wehrmacht hat bereits in der 2. Hälfte der 30er Jahre des 21. Jahrhunderts mit der Wiederaufrüstung begonnen. Mit Hilfe der Russischen Armee wurden auf russischen Boden Spezialisten für die Luftwaffe und für die Panzerwaffe ausgebildet mit dem Ziel,
Hitlers Machtanspruch zu gegebener Zeit militärisch durchsetzen zu können.
Die russische Armee wurde im Gegensatz dazu durch umfangreiche Säuberungen des
Offizierskorps stark geschwächt und hatte dadurch die Niederlage im russisch-finnischen Krieg zur Folge. Hitlers Feldzug „Barbarossa" wurde auf Basis der Manöver und der Ausbildung in Russland erarbeitet und real eins zu eins umgesetzt.

Sind die Kinder der Soldaten schuld daran, dass sie im Krieg gefallen sind? Natürlich nicht! Man kann es nur begrüßen, dass die Söhne so lange nach den Gräbern ihrer Väter suchen. Mit diesen Gedanken habe ich zugestimmt. Unser Treffen hat mit der Geschichte von Herrn Hofmeier begonnen.

Gerhard Hofmeier: Ich habe meinen Vater nie richtig kennen gelernt. Meinen Bruder hat er nie gesehen. Er musste am 16.09.43 zurück an die Ostfront. Mein Bruder wurde 1 Monat später am 16.10.43 geboren. Die Zahl 16 ist in unserer Familie schicksalhaft. Am 16.12.43 ist unser Vater vermisst und wahrscheinlich auch gefallen. Das haben wir erst -zig Jahre später erfahren. Meine Mutter war sehr tapfer und zurückhaltend. Ihre Gefühle und Sorgen behielt sie für sich. 30 Jahre wartete sie auf ihren Mann, ohne zu glauben, dass er tot sei. Erst 1975 kam eine Nachricht vom Roten Kreuz, dass Heinrich Hoffmeier mit hoher Wahrscheinlichkeit am 16.12.43 bei den Kämpfen im Gebiet Newel/Witebskgefallen ist.

Ich fragte meine Mutter oft wo unser Vater ist. Ihre Antwort war „in Russland". Wir wuchsen ohne Vater auf und haben das für normal gehalten. Da wir ihn nicht kannten, haben wir ihn auch nicht vermisst. Mein Bruder und ich wussten zwar, dass er in Russland geblieben ist - aber Genaueres war uns nicht bekannt.

Die Briefe waren für uns ein emotionaler Schock. Erst nach dem Tod meiner Mutter im Jahr 2000 haben wir von den Briefen erfahren. Diese waren an die Halbschwester meines Vaters gerichtet und endeten immer mit der Bitte, nichts meiner Mutter zu sagen - weil er sie nicht mit den fürchterlichen Geschehnissen an der Front belasten wollte. Daran hat sich meine Tante bis zum Tod gehalten. Meine Frau Andrea hat die Briefe von der Altschrift auf die Neuschrift übersetzt. Nur durch das Lesen der Briefe habe ich meinen Vater sehr nah kennen gelernt, wie er war und was er dachte. In diesen Briefen stand die ganze Wahrheit über den Krieg. Als wir das gelesen haben, kam die Idee, alles als Buch zu veröffentlichen. Hilfe haben wir dabei von Professor Scholz und von Volker Koop (Herausgeber) erhalten. Das Buch wurde anlässlich des 60. Jahrestages zur Beendigung des 2. Weltkrieges im Russischen Haus in Berlin vorgestellt. Man frage sich, wie die Briefe mit so einem Inhalt verschickt werden konnten ohne von der Gestapo verhaftet zu werden........offensichtlich versagte im Kampfgetümmel die Zensur.

Zum 60. Geburtstag von Günter Hofmeier hat sein Bruder ihm die Reise nach Russland geschenkt. Beide kamen über Moskau nach Smolensk wo der Vater gekämpft hat. Nach der Geschichte von Gerhard Hofmeier haben 2 russische Deutschlehrerinnen über ihre Begegnungen mit gefangenen deutschen Soldaten erzählt.

Oleg Bondarenko-Snietin:
„Ich wurde im selben Jahr wie Herr Hofmeier kurz nach Kriegsbeginn geboren. Als ich 10 Jahre alt war, hat meine Oma über meinen gefallenen Vater erzählt. Sie zeigte Fotos, die sie im Schrank aufbewahrt hatte. 40 Jahre später habe ich endlich erfahren wo mein gefallener Vater begraben ist. Ich war mit meiner Frau da"

Oleg Bondarenko-Sniietin erzählte weiter von seinem Vater und von seinem Schwiegervater - wo sie gekämpft haben und wie sie gefallen sind.

„Herr Hofmeier war vom Treffen sehr beeindruckt und hat mir als Dankeschön ein Buch über seinen Vater geschenkt. Im Gegenzug habe ich ihm und Herrn Prof. Scholz mein Buch über die Kämpfe der sibirischen Armee gegen die Faschisten in Stalingrad geschenkt. Zum Schluss möchte ich noch sagen: Besser ein schwacher Frieden als ein starker Krieg. "Ich hoffe, dass der Kontakt hält.

 

PRAWDA
Welikije Luki 27. 06. 2006                                                             

 

Oleg. Bandarenko - Snietin